Autor : Jürgen Pilsecker
V 0 R W 0 R T :
Mit dieser kleinen Schrift über den nördlichen Kölner Stadtteil "Lindweiler" unternehmen wir den Versuch, den hier lebenden Menschen
"unser Lindweiler" etwas näher zu bringen. Einige Daten und Fakten haben wir dem historischen Archiv der Stadt Köln entnommen. In Gesprächen mit älteren Einwohnern aus Lindweiler haben wir Informationen
gesammelt und niedergeschrieben. Ganz besonders danken wir dem ehemaligen Besitzer des Lindweiler Hofes, Herrn Ulrich Both. Wir bedanken uns auch bei Herrn Karl Lenze und Herrn Peter Schmitz / Gärtnerei Lindweiler,
die uns ältere Fotos sowie Landkarten zur Verfügung stellten. Dank auch an Herrn Karl Richter, der uns die Daten vom historischen Archiv der Stadt Köln besorgte. Die vorliegende Schrift wurde von einem an
Lindweilers Vergangenheit interessierten Laien erstellt; sie garantiert nicht die Vollständigkeit. Wir werden uns bemühen, weitere Daten und Fakten über Lindweilers Vergangenheit zu finden und zu veröffentlichen.
DAS ALTE LINDWEILER UND DER LINDWEILERHOF
Die Geschichte von Lindweiler ist eng verbunden mit dem Lindweiler Hof. Die erste Erwähnung des Hofes Lindweiler erfolgte 1276, als zugehörig
des Eigelstein-Gerichts der Kölner Erbvogtei nachweisbar. Die Erbvogtei war ein Lehen des Erzbischofs von Aachen. Das Gericht des Erbvogtes auf dem Eigelstein wird aufgeführt in "Entwicklung der kommunalen
Verfassung und Verwaltung der Stadt Köln bis 1396". In dem Weißtum "A" Seite 45 wird das Dorf Lindweiler 1276 erwähnt. Aufgeführt wird auch die starke Position von Longerich, dem auch die
Flecken Weidenpesch, Heimersdorf, Nippes, Riehl und Niehl zugeschrieben sind. In einer Steuerliste vom 3. April 1559 wird der Lindweiler Hof ebenfalls erwähnt. In einer Akte über Landvermessungen aus dem Jahre
1662 wird ein "Junker Quadt" und ein "Quadt zu Buschfeld" erwähnt und 1663 wird in dem Band "Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln" der Lindweiler Hof dem Quadt zu Buschfeld zugesprochen.
Auszüge aus dem Kölner Stadtanzeiger von 1912 "Reichsstadt Köln und ihre Vororte um 1660": Lindweiler Hof: 3 1/4Morgen Größe mit 139 1/2 Morgen Landwirtschaft, Adeliges Gut. Besitzer: Junker Quadt
zu Buschfeld. Der Pachtvertrag war mit 20 Malter Roggen und Abgaben 8 Gulden, 2 Albus und 3 Heller geschlossen. Aus einer Akte des Domänenbüros des Roer-Departments geht hervor,
dass der Lindweiler Hof im Jahre
1805 in Besitz des Machabäer-Klosters war. Irrtümlich ordnet das Machabäer-Kloster den Besitz Bickendorf zu. Nach der Aufhebung des Klosters wird der Hof dem Grafen Lobau übergeben, der ihn an einen Helger Dorn für
9 Jahre verpachtet. Am 01.04.1888 wurde Longerich mit den umliegenden Orten Nippes, Weidenpesch, Heimersdorf und Lindweiler nach Köln eingemeindet. Aufgenommen und gezeichnet im Jahre 1845 Auszug aus dem
Buch "Historische Stätten 111, Nordrhein-Westfalen, Seite 478/479": Um eine größere Bevölkerungsdichte darzustellen, hat lt. topographischer Beschreibung der Königlich Preußischen Rheinprovinzen,
Bürgermeisterei Longerich 1832, Lindweiler 17 Einwohner. 1925 wird der Hof von der Stadt Köln übernommen, der Pächter ist ein Heinrich Diepes. Von 1959 bis September 1981 wohnt eine Frau Pick im inzwischen
erweiterten Nordtrakt des Lindweiler Hofes. 1981 erwirbt der Schlossermeister Ulrich Both den Lindweiler Hof mit der Auflage den ursprünglichen, äußeren Zustand des Hofes bei der dringend notwendigen Renovierung
und Erneuerung beizubehalten.
LINDWEILER VOR UND NACH DEM 2. WELTKRIEG
Vor und während des 1. Weltkrieges war das heutige Lindweiler westlich des Marienberger Weges Richtung Autobahn A57ein Munitionsdepot und östlich
des Marienberger Weges ein Exerzierplatz. Lindweiler gehörte zu diesem Zeitpunkt zu Longerich. Das Gelände, etwa zwischen dem heutigen Unnauer Weg Pescher Weg Kirburger Weg und Stallagsweg, wurde um 1930 in
Grundstücksgrößen von etwa 2 - 4 Morgen Land an 70 Kölner Familien aufgeteilt. Das Liegenschaftsamt der Stadt Köln verpachtete diese Flächen an bedürftige Kölner Bürger, es
musste ein Pachtzins bezahlt werden. Die
Pachtdauer betrug im Allgemeinen 30 Jahre. Diese Familien gehörten vom Einkommen her zu den unteren Schichten im damaligen Köln. Die Größe der Grundstücke war darauf ausgelegt, daß die Familien Selbstversorger sein
konnten (man denke an die große Arbeitslosigkeit in Deutschland zu dieser Zeit). Das erforderliche Material zum Bau von Holzhäusern auf dem Pachtland wurde per Holzhandwagen vom
nahe gelegenen Flughafen Butzweiler
Hof oder durch Demontage von alten Holzbaracken beschafft. Die Holzhäuser wurden in Eigenbau erstellt und später durch An- oder Umbauten in Mauerwerkstein ergänzt. Die Menschen in Lindweiler hatten wenig Geld, denn
es gab keine Arbeit. Sie waren jedoch als Menschen recht zufrieden. Die für das tägliche Dasein erforderlichen Lebensmittel, z. B. Obst, Gemüse, Getreide und Fleisch wurden selbst erzeugt und untereinander getauscht.
Es gab viele menschliche Kontakte untereinander, häufig wurde zusammen gebacken oder auch gefeiert. Es gab regelmäßige Zusammenkünfte. In Lindweiler gab es zu dieser Zeit keine städtische Wasserversorgung und
keinen Strom. Der Pescher Weg und der Marienberger Weg waren Sandwege, ohne Asphaltschicht. Es gab keine Straßenlaternen und auch keine Häuser rechts und links dieser Straßen. Die Bahnunterführung am Pingenweg
war noch nicht vorhanden, sondern lediglich eine Bahnschranke. Auch gab es den heutigen Longericher Bahnhof zum damaligen Zeitpunkt noch nicht. Der alte Bahnhof befand sich am Pingenweg. Das alte Bahnhofsgebäude
mit den damaligen Signalanlagen und wunderschönem, alten Baumbestand kann heute noch bewundert werden. Der Longericher Bahnhof wurde erst 1934 gebaut, ebenso die Unterführung der Militärringstraße. Damit verbunden
war die Verlegung der Eisenbahntrasse in Richtung Bocklemünd. Ältere Bürger aus Lindweiler gern die "Farmer" aus Lindweiler genannt betonen in den Gesprächen immer wieder, daß sie zwar wenig Besitz
hatten, aber eine schöne und zufriedene Jugendzeit in Lindweiler verbracht haben. In den 30er Jahren gab es noch keine Schule in Lindweiler, diese befand sich in Longerich und der Weg dorthin mußte täglich zu Fuß
zurückgelegt werden. Weiterhin gab es in Lindweiler auch keine Geschäfte, keinen Arzt und keine Kirche. Die nächste Straßenbahn nach Köln / Zentrum fuhr von der Endstation der Linie 11, frühere Glanzstoff-Fabrik.
Der Weg dorthin mußte zu Fuß oder mit dem Fahrrad (soweit vorhanden) zurückgelegt werden. Von den Farmern' in Lindweiler wurde Ackerbau und Viehzucht sowie Gartenbau betrieben. So wurden regelmäßig frische
Hähnchen, Eier, Obst und Gemüse sowie Blumen nach Köln teilweise an feste Kundschaft verkauft. Ebenso kamen fremde Leute an die Tür und kauften Obst, Gemüse, Eier, Hühner oder Pflanzen. Abnehmer war auch der Kölner
Klingelpütz (Gefängnis). Trinkwasser wurde bis zum Ende des 2. Weltkrieges mit einer eigenen Handpumpe und eigenem Brunnen auf dem Pachtland gefördert. Später wurde von einigen "Farmern" Pachtland für
den Anbau von Kartoffeln und Getreide hinzugenommen. Hierzu wurde aus Esch für das Getreide eine Lohndreschmaschine ausgeliehen. Der Holzhandwagen und das Fahrrad waren ansonsten die häufigsten Transportmittel. Für
die Wärmeversorgung im Winter wurde Kohle mit dem Handwagen transportiert. In Köln-Longerich wohnten zur gleichen Zeit vergleichsweise reiche Bauern mit viel eigenem Land, auch die sonstige Bevölkerung war
vermögender als in Lindweiler. Beim Einmarsch der Amerikaner in Köln während des 2. Weltkrieges, mußten die Einwohner in Lindweiler ihre Häuser verlassen und die amerikanischen Soldaten bewohnten für einige
Monate diese Gebäude. Während des 2. Weltkrieges wurde in Lindweiler elektrischer Strom verlegt, so daß die Karbidlampen nicht mehr benötigt wurden. Sehr schwierig waren für die Lindweiler Bürger die Jahre nach
dem 2. Weltkrieg, denn es gab wenig Arbeit. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Lindweiler endlich an die Trinkwasserversorgung angeschlossen. Hierzu mußte jeder Anlieger von Hand eine bestimmte Länge des
Rohrgrabens für die Wasserleitung ausheben und wieder auffüllen beginnend vom Volkhovener Weg bis zum jeweiligen Grundstück. Die Stadt hat lediglich die Leitung verlegt und bezahlt. Nach 1945 errichtete die
Stadt zwischen Unnauer und Marienberger Weg Steinbaracken, die der fliegergeschädigten Bevölkerung Notunterkünfte bot. Anfang der 50er Jahre bemühten sich 21 Familien bei der Stadt Köln um den Erwerb eines
Grundstücks, zwecks Hausbau. Die 21 Interessenten mußten sich auf Geheiß der Stadt Köln zu einem Siedlungsverein organisieren. Nach der Gründung des Vereins gab es 21 Siedlungsanwärter, es waren Flüchtlinge aus den
ehemaligen deutschen Ostgebieten. Der Siedlungsverein wurde am 04.07.1950 in der Gaststätte Hardenberg am Neumarkt gegründet. So mußte u. a. jede Familie 2.000 Pflichtstunden beim Hausbau leisten. Die Stadt Köln
verkaufte 21 parzellierte Grundstücke für 1,50 DM/m2 für damalige Verhältnisse viel Geld, das mit einem Kredit finanziert werden mußte. Die Stadt gab ein Darlehn von 4.000,-DM, die Stadtsparkasse eine Hypothek
von 3.500,- DM sowie 500,- DM als Geschenk und Starthilfe. Es mußte nach den "Städtischen Richtlinien Kleinstsiedlungsbau" gebaut werden. Das heißt, ohne Toilette im Haus es gab nur ein
"Plumpsklo". So entstand zwischen dem heutigen Kirburger Weg und Langenbacher Weg der erste Siedlungsblock. Diese 21 Familien waren Anfang der 50er Jahre das Zentrum und der Beginn des heutigen
Lindweiler. Zu Beginn gab es für die 21 Familien noch keinen Strom, kein Trink- und Abwassersystem, kein Erdgas. Licht im Haus gab es durch
Teigkerzen, Karbidlampen und soweit vorhanden durch einen
kleinen Generator. Die ersten 1 1/2 bis 2 Jahre nach der Fertigstellung der Häuser etwa 1952 / 1953 wurde das Wasser aus einem Handbrunnen im Garten gefördert. Danach gab es endlich Trinkwasser aus der
Leitung. 1972 wurden die Häuser an den städtischen Abwasserkanal angeschlossen. Die Aufnahme der Flüchtlinge durch die Farmer" war sehr herzlich. Zwischen den ,Ureinwohnern / Farmern« von Lindweiler und den
Flüchtlingen herrschte große Harmonie. Die Ureinwohner waren sehr freundlich. Von ihnen kauften die Flüchtlinge für wenig Geld Obst, Gemüse, Getreide, Eier, Hühner, Schweine- oder Schafsfleisch. Alle 21
Flüchtlingsfamilien und die Farmer in ihren Baracken waren einfache, strebsame und fleißige Leute. Mit dem Bau dieser ersten Siedlung entstand auch das erste Lebensmittelgeschäft in Lindweiler. Das nächste
Geschäft befand sich in Longerich, ebenfalls die Schule, der Arzt, die Apotheke und die Kirchen. Der soziale Friede in Lindweiler wurde 1955 abrupt gestört. Der Versuch der Stadt Köln, in kleinen und sehr
einfachen Steinhäusern sozial schwache Familien unterzubringen, schlug gründlich fehl. Hier entstanden im Volksmund die Ausdrücke "Mau-Mau-Siedlung" bzw. "Klein-Marokko". Die
Kriminalität bis hin zum Mord war sehr groß. Erst als diese Familien in größere Mehrfamilienhäuser umziehen konnten (die kleinen Steinhäuser wurden wieder abgerissen), war die Kriminalitätsrate
rückläufig. Noch heute haftet unserem Lindweiler dieser bittere Beigeschmack durch, negative Äußerungen aus der älteren Bevölkerung nach. 1958 - 1960 entstanden dann die Häuser entlang des Kirburger Weges und der
jetzigen Soldiner Straße. In den 60er Jahre entstanden die Eigenheime am Krombacher - und Nisterberger Weg. Mit dem Bau von weiteren Siedlungen verschwanden sukzessive die Farmer aus Lindweiler. Die Schulkinder
mußten nach Longerich, eine Omnibusverbindung bestand nicht. Auf Initiative der Lindweiler Eltern wurde etwa 1961 / 1962 ein Schulbusverkehr eingerichtet. Mit dem Abriß der Steinbaracken ging die Bebauung in
Lindweiler zügig vorwärts. Die Ortsbezeichnung wurde von Köln-Longerich in Köln-Heimersdorf geändert. 1965 wurde das soziale Zentrum Lino-Club e. V." eröffnet noch heute wichtiger Bestandteil des
sozialen und auch kulturellen Lebens in Lindweiler. Eine im Nachbarort Bocklemünd / Mengenich - freiwerdende Holzbaracke wurde in Köln--Lindweiler in eine Notkirche für die katholische Gemeinde in
Lindweiler aufgebaut und am 1. Adventssonntag 1971 in Benutzung genommen. Die Notkirche erhielt die Bezeichnung "Marienkapelle". Über 9 Jahre war die Marienkapelle der kirchliche Mittelpunkt in der
katholischen Gemeinde Lindweiler. Im August 1979 wurde mit dem Bau einer neuen Kirche begonnen, am 10.08.1980 war das Richtfest und am 28.06.1981 die Kirchweihe. Die Begegnungsstätte Lindweiler der evangelischen
Kirchengemeinde Köln-Pesch wurde am 15.06.1977 fertiggestellt und steht seit dem den evangelischen Christen zur Verfügung. Weiterhin wird die Begegnungsstätte für eine ganze Reihe sozialer Aufgaben genutzt. Am
08.02.1977 beschließt der Rat der Stadt Köln, daß Lindweiler ein eigener Stadtbezirk wird. (weiter Siehe rechts)
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"Lindweiler Hof"
"Lindweiler Hof"
"Lindweiler Hof" Heute
"Marienberger Weg" (höhe Kath. Kirche)
Filialkirche Schmerzhafte Mutter (Marienkirche) in Köln Lindweiler
Lindweiler 1956
Lindweiler 1969
Lindweiler 1959
Bepflantze Balkone
Garten in Lindweiler
Ev. Begegnungstätte (im Hintergrung)
"Lindweiler Hof" mit
Sparmarkt und Schreibwarengeschäft
"Lindweiler Hof" Heute
Blumen in Lindweiler
Gehweg Marienberger- Unnauer Weg
Unnauer Weg "Rückseite
Die Fläche von Lindweiler beträgt 1,16 qkm. Lindweiler kann sich nicht vergrößern es ist begrenzt
o im Norden durch die Schnellstraße von der Autobahn A57 nach Chorweiler
o im Süden durch den nördlichen Kölner-Autobahnring Al o im Osten durch die Bahnlinie Köln-Neuß-Düsseldorf
o im Westen durch die Autobahn A57 Köln-Neuß-Krefeld. Die vorhandene, bebaubare Fläche ist belegt, bebauungsfähige Baugrundstücke so gut wie nicht vorhanden.
1980 lebten in Lindweiler 4.473 Einwohner, 1990 4.076 Menschen und 1995 lebten nur noch 3.962 Einwohner in unserem Stadtbezirk. Die Bevölkerungsdichte betrug 1995 3.401 Einwohner pro qkm; diese lebten in 1.555
Haushalten. Das Zentrum in Lindweiler ist der Marienberger Hof. Hier befinden sich ein Bäcker sowie zwei Lebensmittelgeschäfte, ein Schreibwarengeschäft sowie ein Restaurant "Haus Lindweiler' mit
Bundeskegelbahn. Gewerbetriebe haben sich an der Soldiner Straße und am Pescher Weg angesiedelt. Seit Mitte der 70er Jahre gibt es in Lindweiler einen praktischen Arzt und einen Zahnarzt.
Es fehlen in Lindweiler auch heute noch eine Bank / Sparkasse, eine Post und eine Apotheke
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